Oh mein Gott, was war das für eine Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien! Nach etlichen Anläufen hat unsere Nationalmannschaft nach 24 Jahren den Titel holen können. Gratulation! Das war einzigartig! Doch betrachten wir das Turnier aus der Perspektive eines Konsumenten der Medienpräsenz zu diesem weltweiten Ereignis. Es zeigt ein inzwischen etabliertes, immer wieder praktiziertes Vorgehen. Die wichtigsten Punkte hier sind das World Feed, die Bild- und Interview-Regie und die nationalen Berichterstatter.
Wie es seit einigen Jahren bei diesen weltweiten sportlichen Großereignissen der Fall ist, gibt es ein sogenanntes World Feed. Auch bei den Olympischen Spielen, Formel-1-Rennen und ähnlichem gibt es ein Weltbild, was allen angeschlossenen Nationen zur Verfügung gestellt wird. Meist muss dieses Bild und Wort - in diesem Fall die Spielerinterviews auf dem Spielfeld nach dem Match - unbearbeitet übernommen und ausgestrahlt werden. So kam es, dass kaum ein Blick auf die diversen Flitzer auf den Spielfeldern zu erhaschen war, weil die Weltregie angewiesen wurde, solche Bilder nicht zu zeigen.
Bereits im Vorfeld wurde von möglichen Protesten gegen die Weltmeisterschaft ausgegangen, außerhalb oder innerhalb der Stadien. Diese Flitzer hätten ebensolche Motivation haben können, also wollte man Diskussionen diesbezüglich vermeiden. Selbst die bei den Fans so beliebten Banner, die üblicherweise ausgehängt werden, wurden größtenteils verboten. Auch dort hätten sich politische Statements aller Art wiederfinden können.
Das öffentliche Argument ist, dass der Veranstalter nur über das sportliche Ereignis und nicht die Politik drumherum berichten möchte. Der Kunde will ja das Spiel, die Spieler und das ganze Drumherum im Stadion sehen und nicht durch irgendwelche Statements abgelenkt werden. Das war in Südafrika nicht anders und wird es in Russland ebenfalls nicht sein.
Um irgendwelchen verfänglichen Fragen an Spieler oder Trainerstab vorzubeugen, wurden auch die Journalisten, die direkt nach Ende des Matches, noch auf dem Spielfeld, die Fragen stellten, vom Veranstalter "gestellt". Nur in den Katakomben der Stadien waren die nationalen Berichterstatter zugelassen. Die Kameras dort unterlagen nicht dem World Feed, die auf dem Spielfeld hingegen schon.
Die Systematik, die hier angewendet wird, hat sich bewährt. Der Endverbraucher bekommt einen wohltemperierten Cocktail an Informationen, politisch, ethisch und moralisch korrekt und frei von jeglicher Wertung des Bildes. Für ein solches Großereignis wahrlich nicht leicht zu bewerkstelligen, doch es gab ja auch die nationalen Journalisten.
Dort offenbart sich die Achilles-Verse unserer Medienwelt. Ein Per Mertesacker wird ein Wort wie "Karnevalstruppe" entlockt, ein Thomas Müller will sich nicht für den Weltmeistertitel entschuldigen müssen und ein Rivaldo muss die historische Niederlage seiner Nationalmannschaft im deutschen Fernsehen kommentieren. Ganz zu schweigen vom Empfang der deutschen Elf in Berlin und das "Gauchogate". Doch das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange. Es wurden auch
Spekulationen veröffentlicht ohne die Beteiligten dazu befragt zu haben.
So wurde ein Rücktritt seitens Miroslav Klose angekündigt, nur weil er wahrscheinlich war.
Wo sind unsere Medienvertreter angekommen? Peinlichkeiten, Provokationen, Schadenfreude und hochstilisierte Empörung formen das Bild im Gegensatz zu einer gelungenen, weil objektiven Berichterstattung. Hier sehen wir, was die deutschen Medien anders machen: Sie werten das Geschehen, anstatt einfach nur zu berichten. Und schlimmer noch, sie versuchen mit ihrer Sicht der Dinge die Tatsachen zu schaffen, die sie gerne sehen würden. Wer manipuliert also mehr, der Veranstalter, der uns Bilder vorenthält, oder unsere Presse, die uns ihre Subjektivität unterzumischen versuchen?